„Ich kann nicht mehr, ich habe keine Lust, das schaffe ich sowieso nicht. Ich fühle mich leer, fühle einfach gar nichts mehr…“
Wer möchte sich das schon eingestehen?! „Dich leide an einer Depression!“
Besonders Frauen in den Wechseljahren – zwischen 45 und 60 Jahren- sind vergleichsweise häufig von Depressionen und Angstzuständen betroffen. Wieso das so ist?! Dafür gibt es verschiedene Erklärungsversuche: die sich verändernden Hormonspiegel, Frauen reagieren empfindlicher auf Stress… vielleicht äußern sich Depressionen bei Männern einfach anders, z.B. in Aggressivität und Suchtverhalten.
Fakt ist: Depression ist eine Erkrankung! Und zwar eine, die wir ernst nehmen sollten. Denn sie beeinträchtigt nicht nur massiv die Lebensqualität. In Deutschland sterben jährlich mehr Menschen durch Selbstmord als an Autounfällen!! Aber auch leichte oder mittelschwere Depressionen können schwerwiegende Folgen für die Gehirngesundheit haben. So ist das Risiko für Frauen, die im Laufe ihres Lebens an Depressionen erkrankt waren, im Alter an Demenz oder Alzheimer zu erkranken doppelt so hoch!
Es gibt viele verschiedene Formen und Schweregrade von Depressionen. Die Übergänge sind fließend, die Abgrenzung zum Burnout schwierig. Bei den Ursachen spielen sicher viele Faktoren eine Rolle. Genetische Disposition, traumatische Erlebnisse, geringes Selbstwertgefühl, die Fähigkeit mit Stress umzugehen…
Alles nur in deinem Kopf – was passiert im Gehirn?!
Es finden ganz konkret Veränderungen im Gehirn statt. Und zwar im vorderen Bereich der Großhirnrinde – dem präfrontalen Kortex. Dort konnten Forscher sowohl strukturelle Anomalien als auch Stoffwechselveränderungen feststellen. Dieser vordere Bereich des Gehirns ist u.a. zuständig für Entscheidungsfindung und Persönlichkeit einer Person. Außerdem nimmt der präfrontale Kortex Einfluss auf den Bereich des Gehirns, in dem Emotionen bewertet und Erlebnisse gespeichert werden – der Amygdala.
Die Amygdala ist bei Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, überempfindlich für negative Ereignisse. Während der präfrontale Kortex negative Zustände regelrecht abruft. Damit beginnt eine Abwärtsspirale. Überdies reagiert der Hippocampus sensibel auf hohe Cortisol-Spiegel, wie sie bei chronischem Stress entstehen. Der Hippocampus ist das Lernzentrum des Gehirns. Es fällt also sehr schwer in einer depressiven Phase, Neues und Positives zu lernen und zu erleben. Währenddessen ist das Gehirn fokussiert auf alles, was negativ ist…
Das Gehirn arbeitet frei nach dem Motto „use it or lose it“ (nutze es oder es geht verloren). Deshalb ist es total wichtig, dass du dich mit positiven Erlebnissen versorgst. Auch wenn es schwer fällt, auch wenn du erstmal keinen Bock hast! Auch wenn dir ständig ein „Ich-kann nicht“ dazwischenfunkt! Eine Verhaltenstherapie kann hier eine gute Unterstützung bieten.
Die Macht der Glückshormone
Ein weiterer körperlicher Aspekt bei Depressionen ist ein Mangel an Glückshormonen. Serotonin, Dopamin, GABA oder Noradrenalin sind bei Menschen, die an Depressionen leiden häufig im Mangel.
Serotonin versorgt uns mit einer Grundzufriedenheit – alles ist gut, es wird schon klappen – eine echte kölsche Frohnatur. Es wirkt außerdem angstlösend, hilft beim Lernen und sorgt für guten Schlaf.
Um den Neurotransmitter Serotonin herstellen zu können, benötigt der Körper die Aminosäure Tryptophan in ausreichender Menge. Chronische Darmentzündungen oder eine Fruktoseintoleranz können die Aufnahme von Tryptophan im Darm behindern. Wenn es dann doch in der Blutbahn angelangt ist, werden zu allererst die Muskeln mit Tryptophan versorgt bevor das Gehirn an der Reihe ist. Um aus Tryptophan das begehrte Serotonin zu bauen, benötigt das Gehirn noch ein paar weitere Baustoffe: Eisen, Magnesium, Vitamin C, Folat und Vitamin B3 – und für einen letzten Schritt auch noch Vitamin B6. B6 Mangel ist übrigens ebenfalls weit verbreitet, vor allem bei Frauen, die die Pille einnehmen.
Das bedeutet im Klartext: kein Tryptophan = kein Serotonin, keine Co-Faktoren = verlangsamter Aufbau von Serotonin.
Eine Handvoll Cashewkerne, Kürbiskerne oder ein Stückchen dunkle Schokolade sind eine gute Tagesdosis an Tryptophan.
Übrigens: aus Serotonin wird in einem weiteren Prozess das Schlafhormon Melatonin gebildet – ein Grund dafür, dass Schlafstörungen und Depressionen oft gemeinsam auftreten.
Dopamin ist das Sinnbild der absoluten Super-Mum: Kreativ, aufmerksam, ein Multi-Tasking Talent, neugierig und immer offen für neue Ziele. Dopamin treibt uns an.
Auch zur Herstellung von Dopamin benötigt der Körper Aminosäuren. Und zwar Phenylalanin – eine essentielle Aminosäure, die der Körper nicht selber herstellen kann und die wir mit der Nahrung aufnehmen müssen. Erbsen, Sojabohnen oder Kürbiskerne enthalten größere Mengen Phenylalanin. Daraus wird dann in der Leber die Aminosäure Tyrosin hergestellt. Wir können Tyrosin aber auch über Käse, Fisch und Fleisch aufnehmen. Grundvoraussetzung für die Aufnahme von Phenylalanin und Tyrosin ist natürlich ein gesunder Darm. Und auch hier benötigt der Körper natürlich wieder Co-Faktoren – neben den bereits genannten noch Vitamin D.
Der „Macher“ unter den Neurotransmittern, der Tritt, den es für die Umsetzung braucht, ist Noradrenalin. Es entsteht aus Dopamin unter Zuhilfenahme von Vitamin C, B3 und Kupfer. Hülsenfrüchte, Leber, Nüsse und Saaten sorgen für eine gute Versorgung mit Kupfer.
GABA macht uns schön smooth – es wirkt wie ein Schutzschild gegen die ständige Flut an Reizen, die auf uns einprasseln. Es entspannt die Muskulatur und sorgt für guten Schlaf in der 2. Nachthälfte. Die Synthese von GABA geschieht aus Glutamat – sowohl Vorstufe als auch Gegenspieler von GABA (Gamma-Amino-Buttersäure). Gute Vitamin B6-, Mangan- und Zinkspiegel sorgen dafür, dass ein Glutamat Überschuss in GABA umgewandelt wird.
Um gut an die Rezeptoren der Zellen andocken und seine Wirkung entfalten zu können, benötigt GABA die Unterstützung von Serotonin. Wenn Serotonin nicht ausreichend vorhanden ist, kann GABA auch nicht wirken.
Progesteron, das Hormon, das in der 2. Zyklushälfte dominiert, wirkt auch positiv am GABA-Rezeptor. Ausreichende Dosen können einen beruhigenden und schlaffördernden Effekt haben. Im Umkehrschluss leiden Frauen, die einen Progesteron Mangel haben, häufig neben der typischen PMS-Symptomatik unter Ängsten, Unruhe, Schlafstörungen.
Das könnte auch die Erklärung dafür liefern, warum Frauen zu Beginn der Wechseljahre besonders anfällig dafür sind, an Depressionen zu erkranken. Progesteron ist das Hormon, das sich direkt zu Beginn der hormonellen Umstellung auf Tal Kurs befindet.
Östrogen wirkt ebenfalls direkt auf das Gehirn. Es schützt die Nervenzellen, sorgt für neue neuronale Verbindungen und unterstützt die GABA-Produktion im Gehirn. Leider sinken auch die Östrogenspiegel in den Wechseljahren.
Die gute Nachricht zum Schluss: es ist NICHT HOFFNUNGSLOS!
Wer an einer Depression erkrankt ist, benötigt Hilfe. Und zwar zuallererst die Hilfe eines Arztes oder Psychotherapeuten. Ein „Reiß dich zusammen“ oder „jetzt lass doch den Kopf nicht hängen“ ist wenig gar nicht hilfreich. In schweren oder mittelschweren Fällen von Depressionen kann die vorübergehende Einnahme von Anti-Depressiva den Betroffenen helfen, den Weg zurück in den Alltag zu finden. Der Wirkeintritt von Anti-Depressiva liegt bei 2-3 Wochen. Eine begleitende Verhaltenstherapie sollte man ebenfalls unbedingt in Erwägung ziehen. Sie dient dazu, neue, positive Denk- und Verhaltensmuster zu etablieren. Wir erinnern uns: das Gehirn funktioniert nach dem Prinzip „use it or lose it“. Es ist in der Lage, neue Verbindungen herzustellen. Das Stichwort ist: Neuroplastizität. Es ist wirklich erstaunlich, was unser Gehirn auch in Bezug auf Persönlichkeit und Stimmung alles leisten kann!
Zu einer vollständigen Therapie gehört auch die Berücksichtigung körperlicher Ursachen. Die Unfähigkeit des Darms, Nährstoffe aufzunehmen – sei es durch eine Fruktoseintoleranz, Histaminose oder andere chronische Entzündungen im Darm; Schilddrüsenunterfunktion, die Stoffwechselstörungen HPU und KPU, selbst eine instabile Halswirbelsäule können die Entstehung einer Depression begünstigen bzw. ursächlich sein. Diese Faktoren sollte man in der Therapie nicht außer Acht lassen. In Blut- und Urintest können die Neurotransmitter und ihre Co-Faktoren bestimmt werden. Einfache Tests, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Im Anschluss können Nährstoffdefizite gezielt aufgefüllt werden.
Depressionen oder Burnout sind keine Erkrankungen dessen man sich schämen müsste. Jeder Mensch kann früher oder später davon betroffen sein. Du bist weder verrückt noch unleidlich oder wehleidig, sondern schlichtweg krank. Wenn du das Gefühl hast, dass du in einer ausweglosen Situation steckst, alles grau und fade ist und du nicht von alleine aus der Stimmung herauskommst: hole dir Hilfe! Du bist verantwortlich für deine Gesundheit! Vertraue dich deiner Freundin an, deinem Partner oder deinem Hausarzt… Gemeinsam könnt ihr eine Lösung finden.
In akuten Fällen ist die Telefonseelsorge rund um die Uhr erreichbar: 0800/1110111 und 0800/1110222.
Hol ‘dir die Sonne zurück in dein Leben! Wenn ich dich dabei unterstützen kann, tue ich es gerne. Melde dich einfach zu einem
Quellen:
Kyra Kauffmann, Sascha Kauffmann: Natürlich high, Systemed Verlag, München 2021
Dr. Lisa Mosconi: Das weibliche Gehirn, Rowohlt Verlag, Hamburg 2021
Juliane Miorin-Bellermann: Hormonelle Dysbalancen, Haug Verlag, 2022